Radikal daneben – Wie Verschwörungsmythen auf Radikalisierungsprozesse wirken
Ob Corona-Leugnung, Echsenmenschen, Flat-Earth oder Chemtrails – Verschwörungsmythen sind gerade auch online allgegenwärtig. Erscheinen einige von ihnen fast harmlos, können andere eine gesellschaftliche Desintegration oder gar Radikalisierungsprozesse anstoßen und sind somit auch für das Arbeitsfeld der Extremismusprävention relevant. In dem Workshop gingen die Referent*innen von AntiAnti der Frage nach, welche Rolle Verschwörungsmythen in rechtsextremen und antisemitischen Radikalisierungsprozessen spielen.
Dabei wurde ein besonderer Schwerpunkt darauf gelegt, wie Verschwörungsmythen in Sozialen Medien verbreitet werden und wo Anknüpfungspunkte für Radikalisierung bestehen können. Im Anschluss wurde den Teilnehmenden der Raum für kollegialen Austausch und Diskussion gegeben, um über eigene Erfahrungen und Fragestellungen in der Arbeitspraxis zu sprechen.
Radikal gekontert – Strategien für den Umgang mit Verschwörungserzählungen
Verschwörungserzählungen scheinen überall präsent zu sein. Plötzlich äußern Freund*innen oder Bekannte einen Kommentar gegen eine angebliche Impfpflicht, Arbeitskolleg*innen sprechen von einer „mächtigen Elite”, die im Hintergrund die Fäden in der Hand hält. Nach anfänglichen Versuchen, mit den Personen zu diskutieren wird deutlich, dass es schwer ist, sich sachlich über die Themen auseinanderzusetzen. Es zeigt sich, dass es keine gemeinsame Faktenlage (mehr) gibt, um miteinander zu kommunizieren. Gleichzeitig handelt es sich möglicherweise um vertraute Menschen, zu denen man nicht den Kontakt abbrechen möchte.
Es kann gelingen, über die Beziehungsebene miteinander im Gespräch zu bleiben. Dabei können unterschiedliche Handlungs- und Interventionsmöglichkeiten hilfreich sein. Welche Ziele stehen im Vordergrund? Und sind diese auch erreichbar? Auf welcher Ebene begegne ich der Person? Wo sollte eine Grenze gezogen werden? Wer ist mein Gegenüber und was ist mir wichtig an unserem Umgang?
Ein kurzer Vortrag stellte verschiedene Möglichkeiten der Intervention vor, anschließend stieg die Gruppe mit einer Methode in die Diskussion ein: Hier konnten verschiedene Handlungsmöglichkeiten und Gesprächsstrategien ausprobiert werden.
Radikal (des-)informiert – Fake News und Bildmanipulationen erkennen
Falschmeldungen, Deepfake-Videos und bearbeitete Fotos werden auf einschlägigen Webseiten und Nachrichtenportalen häufig zur Meinungsmanipulation verbreitet und in Sozialen Netzwerken bewusst oder unhinterfragt geteilt. Nicht immer sind gezielte Desinformationen sofort erkennbar.
In diesem interaktiven Seminar lernten die Teilnehmenden, wie sie mit einfachen, kostenlosen Online-Tools Beiträge, Fotos und Videos überprüfen können. Zudem wurde Raum für Austausch geben, wie sich dieses Wissen in der Präventionsarbeit und pädagogischen Praxis anwenden lässt.
Antisemitische Narrative und Memes auf Social Media
Antisemitismus findet sich heute in vielerlei Formen wieder, wie bspw. in der geschichtsrevisionistischen Kritik an die Erinnerung der Shoa oder in der Delegitimierung des Existenzrechts Israels. Viele Inhalte von Verschwörungserzählungen, wie sie u. a. auch von islamistischen Akteur*innen gepostet werden, sind klar antisemitisch. Hinzu kommt die Gewalt von Rechtsextremen gegen Jüdinnen*Juden, wie bspw. das live-gestreamte Attentat in Halle zeigt. Antisemitismus findet sich online in vielen Formen und wird von unterschiedlichen Akteur*innen produziert und reproduziert.
Doch wie genau nutzen Antisemit*innen neue Online-Kommunikationsmöglichkeiten, um ihre Ideologien zu verbreiten, und warum sind diese für Antisemit*innen so attraktiv?
Der Workshop gab einen Überblick über diese verschiedenen Antisemitismen – mit einem Fokus auf den deutschsprachigen Online-Raum. Dabei wurde interaktiv mit den Teilnehmenden herausgearbeitet, wie Motive, Bilder und Vorurteile in Sozialen Netzwerken aufgegriffen und weiterverbreitet wurden. Es wurde sichtbar, inwiefern Memes dazu beitragen, antisemitische Inhalte zu transportieren und als Katalysatoren von Antisemitismen missbraucht werden. Im Anschluss wurden Handlungsmöglichkeiten diskutiert, um der Verbreitung antisemitischer Bilder und Vorurteile etwas entgegenzusetzen.
Ein kurzer Vortrag stellte verschiedene Möglichkeiten der Intervention vor, anschließend stieg die Gruppe mit einer Methode in die Diskussion ein: Hier konnten verschiedene Handlungsmöglichkeiten und Gesprächsstrategien ausprobiert werden.
Gender und Online-Radikalisierung – Frauen als extreme Akteurinnen auf Social Media
Digitale Plattformen unterliegen einem steten Wandel: Neue Kommunikationsformen, Features und Formate bieten den darauf aktiven Akteur*innen sukzessive neue Möglichkeiten, (junge) Zielgruppen zu erreichen, mit ihnen zu interagieren und in kürzester Zeit aktive Communities zu bilden.
In dem Workshop, der sich vorrangig an Praktiker*innen und Wissenschaftler*innen aus der Präventions- und Interventionsarbeit (On-/Offline), Fachkräfte und Interessierte richtete, ging es um die oft unterschätzte Rolle von Frauen als Online-Akteurinnen im Bereich des islamistischen Extremismus. In der Vergangenheit wurden Frauen häufig lediglich als unwissende/naive Opfer verführerischer Propaganda wahrgenommen und dargestellt. Dabei werden zum einen veraltete Geschlechterbilder reproduziert und zum anderen aktive Rollen, die Frauen als Trägerinnen und Vermittlerinnen islamistischer Ideologien spielen, ignoriert. Im Workshop beschäftigten sich die Expert*innen zusammen mit den Teilnehmenden mit der Frage, wie Frauen im Kontext von islamistischem Extremismus auf Social-Media-Plattformen agieren.
TikTok - Extreme Bubbles auf TikTok
Digitale Räume unterliegen einem ständigen Wandel. Neue Plattformen, Formate und Apps erscheinen häufig „wie aus dem Nichts“ und verbreiten sich innerhalb kürzester Zeit. TikTok hat es geschafft, sich mit weltweit etwa 800 Millionen (davon ca. 100 Mio. in Europa) zumeist jungen Nutzer*innen, innerhalb weniger Jahre als eine der weltweit größten Social-Media Plattformen zu etablieren. Diesen Trend haben auch extremistische Akteur*innen für sich entdeckt und nutzen TikTok um mit ihren Inhalten insbesondere junge Menschen zu erreichen.
In dem Workshop hat sich das Projekt-Team von Islam-ist zusammen mit den Teilnehmenden mit folgenden Fragen beschäftigt:
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- Was ist TikTok überhaupt und wie funktioniert die Plattform? Was macht TikTok so attraktiv für Jugendliche und extreme Akteur*innen?
- Was sind und wie entstehen Content Bubbles? Welche Erkenntnisse und Handlungsmöglichkeiten lassen sich hieraus für Fachkräfte und Praktiker*innen der Radikalisierungsprävention ableiten?
Angstpädagogik - Wie Extremist*innen Angstszenarien nutzen, um Jugendliche zu lenken
Mit dualistischen Weltbildern, apokalyptischen Narrativen und Verschwörungserzählungen versuchen Extremist*innen auf Social Media Plattformen, ihre Follower*innen zu lenken. Mit expliziten Verweisen in Videos oder Posts auf den „Jüngsten Tag“ oder die „Hölle“ bedienen sie sich der sogenannte „Angstpädagogik“, um vor allem Jugendliche für ihre Zwecke zu gewinnen. So wird zum einen versucht, die Handlungen und das Denken von (insbesondere) Jugendlichen zu steuern und zum anderen werden aktuelle politische Debatten im Sinne von konspirativen und düsteren Narrativen interpretiert. Das Instrument der „Angstpädagogik“ kann ein Motor für Radikalisierungsprozesse sein und Jugendliche nachhaltig verunsichern bzw. von einer ideologischen Weltsicht überzeugen.
Der Workshop zeigte Beispiele für „Angstpädagogik“ aus der islamistischen sowie aus der rechtsextremistischen Szene auf und thematisierte die Narrative dahinter. Außerdem gab es zur Einordnung der Horrorszenarien von extremistischen Akteur*innen einen Exkurs zu den theologischen Hintergründen von „Jenseitsvorstellungen im Islam“. Gemeinsam mit den Teilnehmenden wurden anschließend Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Jugendlichen erarbeitet, die von dieser „Angstpädagogik“ beeinflusst sind. Außerdem gab es weiterführende Informationen zum Umgang mit Angst-Narrativen und dem dahinterliegenden Diskurs.